Anna-Maria Vossenberg aus Horstmar erhält das Bundesverdienstkreuz

Steter Einsatz gegen das Vergessen

Text+Foto: Heinrich Lindenbaum

Zuvor hatte sie das Bundesverdienstkreuz am Bande durch Landrat Dr. Martin Sommer für ihre Verdienste rund um die Erinnerungsarbeit an jüdisches Leben in Horstmar überreicht bekommen.

Mit ihrer eindringlichen an die nachfolgenden Generationen gerichteten Botschaft „Seid Menschen“ der verstorbenen Margot Friedländer begrüßte Bürgermeister Robert Wenking Vossenberg und die Festgäste.

Wie erging es den Menschen, was erlitten die Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens in Horstmar? Was ist den Horstmarer Familien Eichenwald, Löwenstein, Nathan, Cohen, Steinweg und Rose widerfahren? Genau mit diesen Fragen hat sich Vossenberg beschäftigt.

„Du hast Menschen nach Horstmar geführt, die nie wieder deutschen Boden betreten wollten und es dann doch taten“, führte Bürgermeister Robert Wenking aus. „Ich erinnere mich an die von Dir initiierte Begegnung mit der Familie Eichenwald aus den USA im Jahre 2008. Aus der Familie waren Helga Klion-Eichenwald und Gary Eichenwald mit Familienangehörigen anlässlich der Stolpersteinverlegung in Horstmar angereist. Bei der Verabschiedung sagte Gary Eichenwald: 'Ich wollte nie wieder deutschen Boden betreten, aber jetzt bin ich erleichtert, es doch geschafft zu haben.'“

Vossenberg hat in aufwendiger Arbeit zunächst die persönlichen Daten der Betroffenen erhoben und Überlebende und Nachfahren ausfindig gemacht. Das zentrale Resultat dieser Arbeit ist die von ihr verfasste Dokumentation gegen das Vergessen mit dem Titel „Solltet ihr einmal länger nichts von uns hören, so beunruhigt Euch nicht“.

Ein wichtiger Aspekt war die notwendige Aufarbeitung der Geschichte sowie ganz konkret der Biografien von Bürgerinnen und Bürger der Stadt Horstmar. Das Buch beleuchtet nicht nur die damalige Zeit und basiert auf statistischen Daten, sondern auch auf Berichten von Betroffenen, deren Angehörigen und Nachfahren.

Landrat Dr. Martin Sommer erinnerte in seiner Laudatio am vergangenen Freitag an die Verkündung des Grundgesetzes, die sich zum 76. Mal jährt. „Es ist ein Tag, an dem wir nicht nur unsere Grundrechte und die freiheitlich-demokratische Grundordnung feiern, sondern auch all jene Menschen in den Blick nehmen, die mit ihrer Überzeugung und gelebter Verantwortung diese Ordnung aktiv mit Leben füllen.

„Durch ihr jahrzehntelanges Wirken im Bereich der Erinnerungskultur in ihrer Heimatstadt hat Frau Vossenberg sich in besonderem Maße um unsere demokratische Gesellschaft verdient gemacht und hat dafür vom Bundespräsidenten das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen bekommen.“

Weiter führte er aus: „Der Impuls für Ihr Engagement geht weit zurück – in die 1960er-Jahre, als sie Schülerin der sechsten Klasse an der Gertrudis-Volksschule in Horstmar war. Im Geschichtsunterricht erfuhren Sie und ihre Mitschülerinnen und Mitschüler erstmals von den jüdischen Familien aus Horstmar – deren Namen zwar im Ort bekannt waren, deren Nachkommen jedoch längst nicht mehr in Horstmar lebten. Ihre Lehrerin vermittelte Ihnen die Anfänge des Nationalsozialismus, den Krieg und seine Folgen sowie das grausame Schicksal der jüdischen Bevölkerung – altersgerecht, aber eindringlich.“

Sommer lobte: „Sie beweisen, dass Erinnerungskultur nicht nur mit Gedenktafeln und Büchern zu tun hat, sondern mit Zivilcourage, Haltung und einer klaren Stimme im öffentlichen Raum. Sie zeigen mit Ihrem Lebenswerk, was es heißt, Verantwortung zu übernehmen – nicht nur für das eigene Leben, sondern für das kollektive Gedächtnis unserer Gesellschaft. Sie erinnern uns daran, dass Demokratie nicht selbstverständlich ist, dass Freiheit nie ohne Verantwortung bestehen kann und dass Erinnern ein Akt der Menschlichkeit ist.“



Vossenberg selbst erinnerte in ihren Dankesworten an eine Rede von Bundespräsident Richard von Weizsäcker im Jahre 1993: „Jeder ist für das verantwortlich, was er tut und mitverantwortlich für das, was er geschehen lässt“, sagt sie. „Die Worte sind klar und unmissverständlich. Die Geschichte hat uns gelehrt, wie wichtig diese Aussage in der Vergangenheit war und heute mehr denn je ist.“

Sie führte aus: „Zur Zeit des Nationalsozialismus lebten in Horstmar sieben Familien jüdischen Glaubens. Die Stadt war klein und es gab niemanden, dem ihre Namen unbekannt waren. Die Männer engagierten sich im Turnverein, gehörten zu den Gründungsmitgliedern des Heimatvereins und der Feuerwehr und Hugo Cohen zählte zu den gekrönten Häuptern in der Gesellschaft Concordia“, erinnerte Vossenberg.

„Und doch war es mit dieser Idylle vorbei, als das braune Gedankengut der Nationalsozialisten auch in Horstmar auf fruchtbaren Boden fiel. Die jüdischen Familien wurden drangsaliert, denunziert, man entzog ihnen die Grundlagen ihrer beruflichen Existenz und ihr Hab und Gut wurde Ihnen für kleines Geld abgepresst. Damit begann ihr Leidensweg, der für viele von ihnen in den Tod führte“, betonte sie.

„Nach Jahrzehnten des Schweigens und auch der Weigerung über die Schicksale der jüdischen Kinder, Frauen und Männer zu sprechen, erfüllt es mich mit Dankbarkeit und Demut, dass ich über die Lebensläufe unserer ehemaligen jüdischen Nachbarn aufklären und somit jedem einzelnen ein Gesicht geben konnte. Es war mir eine Ehre“, beendete Frau Vossenberg ihre Dankesrede.